Geschichte der Juden in Hainsfarth

Die Geschichte der Juden ist eng verbunden mit der Grafschaft im angrenzenden Oettingen, wo Juden, ebenso wie im 15 km entfernten Nördlingen seit dem 13. Jhd. urkundlich nachweisbar sind. Dass sie zeitgleich in Hainsfarth lebten, ist einleuchtend. Oettingen lag strategisch günstig an der wichtigen Handelsroute zwischen Nürnberg und Nördlingen und verdiente durch den Straßenzoll entsprechend mit am Handel zwischen den Reichstädten. Wer aber weiter wollte nach Donauwörth oder gar nach Augsburg, konnte Oettingen über Wemding und Monheim umgehen, weshalb die Oettinger Grafen Hainsfarth sodann als Zollposten einrichteten, um so auch am wesentlich lukrativeren Handel mit dem reichen Augsburg teilzuhaben.

Die Juden im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation besaßen Sonderrechte und unterlagen ähnlich wie der Klerus nicht unmittelbar der allgemeinen Gerichtsbarkeit. Lediglich, wenn es um Kapitalverbrechen ging, auf die man die Todesstrafe verhängen konnte, unter standen sie dem Vogt als lokalem Vertreter des Kaisers, der in der Regel seinen Sitz in einer Reichsstadt hatte. 1331und 1333 war der Wittelsbacher Kaiser Ludwig der Bayer mit Geldmitteln Augsburger Juden zum Herrscher aufgestiegen, wofür er seinen Stammsitz München verpfändete. Die lokalen, ihm zustehenden Einnahmen am sog. .“Judenregal” hatte er im Rahmen anderer Geschäfte an die Grafen von Oettingen abgetreten. Die Oettinger waren damit berechtigt,die Steuerleistungen der Juden in ihrem Gebiet für sich einzunehmen. Solche Abtretungen von Steuereinnahmen sorgten dafür, dass viele Provinzfürsten sich darum bemühten, möglichst viele der als produktiv und innovativ geltenden Juden ab- bzw. anzuwerben, zumal sie pünktlich Steuern zahlten und brave wie treue Untertanen waren. So gelangten nun auch zahlreiche Juden nach Oettingen und abhängige Ortschaften wie Wallerstein, Steinhart und Hainsfarth.

Hainsfarth (oder wie es damals geschrieben wurde .“Heimesfurt”) war bis dato kein eigentlicher Wohnort, sondern vielmehr ein Straßenposten. Ein früherer strategisch wohl auch wichtiger ,.Burgstall”, von dem es keine weiteren Zeugnisse mehr gibt, ist wenigstens als Straßenbezeichnung ..Am Bursche!” in Erinnerung geblieben. Die legendär mitunter bis ins Jahr 700 zurückdatierte Kirche betritt freilich erst in jener Zeit tatsächichen historischen Boden, in der sich wohl auch Juden an eben jener Straße niederließen, die deshalb lange Zeit Judengasse heißen sollte und in etwa den Ortskern Hainsfarth bildete.

Der älteste, noch erhaltene schriftliche Beleg eines Hainsfarther Juden stammt jedoch von außerhalb und notiert sodann die Beerdigung eines .“Juden aus Hainsfarth” auf dem mittelalterlichen Judenfriedhof am Henkelberg in Nördlingen, der heute nicht mehr existiert. Der namentlich nicht genannte Jude aus Hainsfarth dürfte dort auch geboren sein, da sich Toponyme früher meist auf den Geburtsort bezogen (vgl. christlich: „Jesus von Nazareth”). Demnach hätten also auch schon seine Eitern in Hainsfarth gelebt.Es lässt sich nichts darüber in Erfahrung bringen,was aber nicht viel zu besagen hat, da auch über christliche Bewohner Hainsfarths jener Epochen nichts erhalten blieb.

Die geschickte Geschäftstätigkeit der Fugger und der Weiser, mit Zweigen in Nürnberg und Augsburg, sorgte in beiden Städten für enormen Aufschwung. Dadurch verlagerte sich ein großer Teil des Handels und Verkehrs auch auf dem direkten Weg,wodurch die Region um Oettingen wirtschaftlich angehängt wurde. Zudem spaltete sich das Territorium auch in konkurrierende Teile auf:

•Oettingen-Spielberg,

•Oettingen-Wallerstein,

•Oettingen-Oettingen.

Das große Geschäft war vorbei,doch wenigstens die regionalen bleiben bestehen. Die Entwicklung stagnierte freilich. Man kann dies auch an der Einwohnerzahl von Hainsfarth ablesen,die seit bald einem halben Jahrtausend etwas über 1.000 und 1.500 hin- und herpendelt, woran auch die Eingemeindung von Steinhart mit seinen rund 200 Menschen nichts geändert hat.

Es ist nur selbstverständlich,dass eine jüdische Gemeinschaft ihre eigene Infrastruktur benötigt und sich auch schaffen wird, wozu ausdrücklich auch ein Bet- und Versammlungsraum. ein taugliches Gemeindebad, eine Schule und ein erreichbarer, naheliegender Friedhof gehören; da es andernfalls für den dauernden Aufenthalt an einem Ort auch gar keine Grundlage gibt.

Wenn von Juden an einem Ort die Rede ist,kann man getrost davon ausgehen, dass die minimalen Erfordernisse in der einen oder anderen Form erfüllt wurden, da es die Ansiedlung andernfalls auch gar nicht gäbe. Eine ganz andere, damit aber verbundene Frage ist freilich, ab welchen Zeitpunkt es dafür einen (meist außerjüdischen) Beleg gibt, wann und in welchem Zusammenhang ein Betsaal, ein Tauchbad oder ein Friedhof in einer städtischen oder sonstigen Urkunde Erwähnung findet.

Was die Erwähnung des Betsaales betrifft geschieht dies erstmals, rund drei Jahrhunderte nachdem es Juden in Hainsfarth gab, im Jahr 1722. Dieser befand sich in der Judengasse „in einem Haus mit großen Fenstern”. An selber Stelle befindet sich heute die 1860 eingeweihte, neu errichtete ..Synagoge” (ein erst im 19. Jahrhundert gebräuchlich gewordener Begriff). Schon 1820 entstand daneben das Schulhaus, das bis 1923 in Betrieb war und erst jüngst grundlegend saniert wurde. Von dort sind es auch nur wieder wenige Schritte zur Mitte des Vorplatzes, wo 2015 die Fundamente eines älteren Tauchbades gefunden wurden. Eine 1830 auch im Stadtplan notierte weitere Mikwe befand sich in der Kohlgasse.

1850 wurde der jüdische Friedhof eingerichtet. Erst 1992 wurde der nicht belegte Teil abgetrennt und von der Dorfgemeinde verkauft. Von 1989 bis 1996 wurde die Synagoge restauriert. Seit ihrer Einweihung wird sie regelmäßig für verschiedene Veranstaltungen, etwa für Vorträge, Führungen oder Konzerte genutzt.

Mit der Synagoge,der restaurierten Schule und den Überresten der Mikwe und dem unweit gelegenen Friedhof besitzt Hainsfarth zwar keine jüdische Gemeinde mehr, so aber doch ein in der Region und weit darüber hinaus einzigartiges Ensemble an baulichen Zeugnissen jüdischer Religion, Kultur und Geschichte. Aus der Häusergeschichte des Ortes Hainsfarth ergibt sich, dass von den 195 erfassten alten Hausnummern des Ortes immerhin 116 eine heute noch nachweisbare jüdische Vergangenheit haben. ln manchen lebten Juden nur einige Jahre, in anderen lebten sie Jahrzehnte und Jahrhunderte. Viele wurden von Juden selbst erbaut.

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