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    Donnerstag 13. Juli 19.30

    Die Betreuerin der Mikwe in Venedig – Tal Bassali_ kommt am 13. Juli ab 19.30  in die ehemalige Synagoge in Hainsfarth.

    Tal Bassali ist die Ansprechperson für alle Fragen rund um die Mikwe in Venedig und zugleich die Mikwenfrau, die Mikwenbesucher beim Besuch des Ritualbades unterstützt und begleitet.

    Sie ist die Enkelin der aus Sassanfahrt (Hirscheid) im Rahmen eines Kindertransports geflohenen Jenni Morel. Sie hat 12 Jahre in Israel gelebt und nun 18 Jahre in Venedig. Sie hat die Zehoud Jewish Online School gegründet, in der online in Europa jüdische Kinder hebräisch mit einer speziellen Methode lernen.

    In Venedig betreut sie die Mikwe im jüdischen Viertel (Ghetto) und kommt dadurch in Kontakt mit vielen Menschen, vor allem Frauen aus verschiedenen Ländern, die die Mikwe aufsuchen. Bei Ihrem Vortrag in der ehemaligen Synagoge in Hainsfarth berichtet sie über die jüdische Gemeinde von Venedig, die Schule und vor allem ihre Arbeit als Mikwenfrau in der Jüdischen Gemeinde von Venedig. Ein spannender Aspekt Ihres Vortrags liegt in der Integration eines feministischen Ansatzes in einer traditionell geführten jüdischen Gemeinde. Der in Englisch gehaltene Vortrag wird übersetzt.

    Der Kontakt zum Freundeskreis kam über die fotografische Arbeit von Hermann Waltz über Mikwen zustande.

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    Autorenlesung “Schabbatkind”

    Sigried Atzmon, Vorsitzende des Freundeskreises der ehemaligen Synagoge Hainsfarth, begrüßte ein zahlreiches Publikum zum Wiedereinstieg nach der Winterpause in die neue Veranstaltungsreihe. Autorin Ayala Goldmann las aus ihrem Buch „Schabbatkind – Geschichten meiner Familie“. Zusammengesetzt aus Rechercheberichten, Interview-Zitaten und mündlich überlieferten Anekdoten entsteht ein Bild jüdischen Lebens mit Gipfeln und Abgründen vom Zarenreich bis ins Computerzeitalter.

    Im Eingangskapitel mit der Überschrift „Nichts Schlechtes über die Deutschen“ schildert Ayala Goldmann ihre Empfindungen und Erlebnisse während der letzten Lebensmonate ihres Vaters, des preisgekrönten Arztes, Professors und anerkannten Pioniers der Transplantationsmedizin Shraga Felix Goldmann. In der Sprache der Mehrheitsgesellschaft würde man ihn als Sonntagskind bezeichnen, und er war ja tatsächlich an einem Sabbat geboren. Auch nach seinem Einzug ins Pflegeheim mit der Prognose „Aufenthaltsdauer durchschnittlich sechs Monate“ zeigt er sich als Atheist, der mitten im Prozess des körperlichen und geistigen Verfalls seine positive Lebenseinstellung und seinen Humor nicht verliert, sondern unter dem Motto „Nimm dir das nicht so zu Herzen, lach doch darüber“ Scherze über Tod und Sterben macht.

    In Rückblenden rekonstruiert die Autorin die Lebensgeschichte ihres Vaters von der Kindheit in Berlin als jüngstes Kind des erfolgreichen Inhabers einer Ballettschuhfabrik über die Jugendzeit in Palästina, Studentenleben in Hamburg ab 1959, bis zur Berufung anfangs der Siebzigerjahre an die neugegründete Universität in Ulm. Rückblenden ergeben sich auch im zweiten Kapitel: „Suche in Warschau“. Hier erfahren die Leser Ereignisse aus den beiden Herkunftsfamilien der Eltern des Schabbatkindes, sowie – im kühlen Journalistenstil der Autorin, und doch nie, ohne persönlich angerührt zu sein, dass nicht weniger als 13 Verwandte unterschiedlichen Grades im Holocaust spurlos verschwunden sind, darunter wohl auch Großonkel yle, der als Lebemann und vielfach gehörnter Gatte persönliche Komik und Tragik verbindet.

    Auch in dem Kapitel „Hamburg“, wo es darum geht, wie sich der Medizinstudent aus Israel und die Medizinstudentin aus Schleswig- Holstein, die späteren Eltern der Autorin, kennen und lieben lernen, und im Kapitel „Ulm“, wo schwäbisches Lokalkolorit ins Spiel kommt, kreist die Erzählung um typische und außergewöhnliche Begebenheiten und Familienschicksale. Der Leser, hier die Zuhörerschaft, sah den erfolgreichen und geachteten Medizinprofessor, Atheisten und Menschenfreund immer plastischer vor dem inneren Auge. Er, der von Religion nie etwas gehalten und in aller Freundschaft zum Rabbi Distanz hatte, hatte für den Fall seines Todes eine einzige Anweisung hinterlassen: im jüdischen Teil des Ulmer Hauptfriedhofs bestattet zu werden. Einer der Trauergäste sprach anschließend von der schönsten Beerdigung, die er erlebt hatte.

    Ayala Goldmann hat über ihren Vater ein Buch geschrieben, das auch viel über sie, die Tochter, aussagt. Bewusst als Jude/Jüdin leben, Traditionen achten, immer zuerst das Gute im anderen Menschen sehen – Shraga Felix Goldmann war sicher von Natur aus stolz auf seine beiden Töchter. Würde er noch leben und könnte er Aylas Buch lesen, wäre er noch stolzer.
    Bericht: Friedrich Wörlen, Foto: Hermann Waltz