„Jüdinnen und Juden sind die ältesten Bayern und Schwaben“ (Prof. Wolf.)
Professor Dr. Klaus Wolf, Vorsitzender des Vereins “Netzwerk jüdische Geschichte und Kultur in Schwaben e.V.” und der Synagogenstiftung Ichenhausen, kam für einen Vortrag zum Thema „Schwäbisches Landjudentum und der Heimatbegriff in Bayern –Historische Aspekte“ in die ehemalige Synagoge Hainsfarth, einem, wie er sagte, „zentralen Lernort im nördlichen Schwaben“. Dass ihm der Preis für gute Lehre 2019/2020 vom „StuRa Phil-Hist“ der Augsburger Universität zu Recht verliehen wurde, bewies er durch genaue, wissenschaftlich korrekte und gleichzeitig unterhaltsame Vortragsweise.
Das2021 begangene Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ bezog sich auf ein Edikt des Kaisers Konstantin vom Jahr 321, wonach in Köln zwei Juden in den Stadtrat aufgenommen werden durften. Voraussetzung war das römische Bürgerrecht und ein gewisser sozialer und wirtschaftlicher Status. Das Bürgerrecht hatten Juden aber schon viel früher erwerben können, wie das Beispiel des Apostels Paulus beweist, dessen Missionstätigkeit ohne den stolzen Satz „civis romanus sum“ („Ich bin römischer Bürger“) nicht möglich gewesen wäre.
Juden waren also in allen wichtigeren Orten des Römischen Reichs ansässig, und die Germanen waren ausländische Eindringlinge. „Jüdinnen und Juden sind die ältesten Bayern und Schwaben“ lautet das Zwischenfazit von Prof. Wolf.
Einen Einschnitt brachte die mittelalterliche Kreuzzugsbewegung, die mit den ersten organisierten Judenpogromen des Abendlandes begann. Verfolgung – teils religiös bemäntelt – und Privilegierung wechselten je nach Herrschaftsgebiet und gesellschaftlichen Zuständen. Gegen „Judenschläger“ schützte Kaiser Ludwig der Bayer die Juden. Diese hatten unter ihm eine gute Zeit in Schwaben.
Als die Handwerkszünfte begannen, sich als religiös begründete Bruderschaften zu verstehen, waren die Handwerksberufe mit wenigen Ausnahmen für Juden nicht mehr zugänglich. Das Bankgeschäft im großen Stil übernahmen – „kanonisches Zinsverbot“ hin oder her – christliche Familien wie die Fugger. Der Geldverleih an die kleinen Leute blieb den Juden. Bei großen Transaktionen durften sie vermitteln.
Kaiser Karl IV. übertrug das „Judenregal“ – eine Schutzgeldquelle und gleichzeitig eine „Begründung“, um je nach Anlass Juden zu vertreiben – den Städten. Schuldzuweisungen für Pestepidemien oder Missernten mündeten auf dieser „Rechtsgrundlage“ immer wieder in Vertreibungen oder schlimmeres. Die vertriebenen Judenfamilien ließen sich oft in benachbarten Ortschaften nieder. Dort herrschte bis zur Nazizeit ein relativ harmonisches Zusammenleben, in dem auch die jüdischen Bürger wichtige Rollen übernahmen, wie in Ichenhausen die des Feuerwehrkommandanten. Die jüdischen Gemeinden traten auch als Auftraggeber für christliche Bauunternehmer und Architekten auf. So wurde im Zentrum von Ichenhausen ein großes Rabbinatsgebäude für das geistliche Oberhaupt der schwäbischen Juden errichtet. Als literarisches Beispiel für die Beheimatung der Juden im Lokalsport führte Wolf den in Ichenhausen spielenden Roman von Raphael Seligmann „Lauf, Ludwig, Lauf!“ an. Unterschiedslos wurde auch der in den verschiedenen Kriegen gefallenen jüdischen und katholischen Soldaten gedacht.
Die unvorstellbare Widerwärtigkeit der Judenverfolgung in der Nazizeit stellte Prof. Wolf am Beispiel der Inhaber der Firma Wallach, eines Königlichen Hoflieferanten und vielfachen Sponsors, dar. Vergleichbar erscheinen viele andere Schicksale die der Familien Bernheim und Kohn, oder, wie kürzlich in Hainsfarth in einer Ausstellung dargestellt, Feibelmann.
Durch konkrete Information wird aus abstrakten historischen Daten eine lebendige Vermittlung der jüdischen Geschichte Schwabens. Dies, so Prof Wolf, ist das gemeinsame Anliegen des Netzwerks jüdische Geschichte und Kultur in Schwaben e.V., und seiner Zusammenarbeit mit Sigi Atzmon, für die er ihr seinen Dank aussprach. Wie in einer „richtigen“ Vorlesung gab es anschließend eine Reihe von Fragen, für die sich der „Dozent“ bei seinen zahlreichen Hörern bedankte.
Bericht: Friedrich Wörlen